Meldung von sport1
vom 26.02.2001


"Ich konnte nicht Nein sagen"

Berlin - Nach den Profi-Fußballern Quido Lanzaat (Mönchengladbach) und Ibrahim Tanko (Freiburg) ist am Montag auch im Deutschen Kanu-Verband (DKV) ein Fall von Cannabis-Missbrauch bekannt geworden. Bereits unmittelbar nach seinem Titelgewinn bei den deutschen Meisterschaften in Augsburg war Slalom-Spezialist Christian Rickert vom KSV Schwerte im August vorigen Jahres positiv auf die Einnahme von Rauschgiften (Marihuana, Haschisch) getestet worden.
"Es war nie meine Absicht, mir vor dem sportlichen Wettkampf Vorteile zu verschaffen", erklärte Rickert. "Mir ist das Zeug auf einer Party angeboten worden, und ich konnte nicht Nein sagen."

Strafe wegen "unehrenhaften Verhaltens"

Da das Rauschmittel bisher nur auf der Doping-Liste des IOC, nicht aber auf der des Internationalen Kanu-Verbandes (ICF) und des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) steht, wurde Rickert in letzter Instanz von der Spruch- und Schlichtungskammer des DKV nur wegen "unehrenhaften Verhaltens" für sechs Monate gesperrt. Der Titel im Kajak-Einer wurde ihm aberkannt. Die Sperre galt rückwirkend ab 1. August 2000 und war bereits am 1. Februar diesen Jahres abgelaufen. Zudem wurde dem Athleten die Sporthilfe für diesen Zeitraum gestrichen und der Zugang zum Bundesleistungszentrum Augsburg verwehrt.
"Da Cannabinoide in unserem Verband noch nicht auf der Doping- Liste stehen, war es kompliziert und langwierig, ihn abzustrafen", versuchte DKV-Sportdirektor Jens Kahl zu begründen, warum der Fall nicht öffentlich gemacht wurde.

Cannaboide kommen auf die Doping-Liste

"Wir mussten uns schließlich auf die Sportordnung des DKV berufen, um ihm wenigstens Vergehen ideeller Art nachzuweisen", rechtfertigte Kahl das Vorgehen des DKV. Kahl ergänzte, dass beim Kanu-Tag im April die Cannaboide auf die Doping- Liste des DKV gesetzt würden.
Mildernd auf das Urteil habe sich laut Kahl ausgewirkt, dass Rickert Einsicht gezeigt und Besserung gelobt habe. "Klar, dass ich so etwas nicht mehr machen werde", bestätigte Rickert. Mit dem Urteil der Kammer könne er leben, weil sein Hauptziel, in diesem Jahr bei der WM-Qualifikation starten zu dürfen, erreicht sei.
Zum ersten Mal war der Marihuana-Missbrauch im Sport bei den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano öffentlich bekannt geworden, als der Snowboard-Olympiasieger Ross Rebagliati vom IOC disqualifiziert, die Sperre aber 24 Stunden danach durch den Internationalen Sport-Gerichtshof (CAS) wieder aufgehoben worden war.

"Wenn er weiter kifft, sind wir die Beschissenen"

Unter Konkurrenten des Weltcup-Zehnten der zurückliegenden Saison hat das verhaltene Vorgehen des DKV Kritik ausgelöst. "Jetzt wurde Rickert für die wettkampflose Zeit aus dem Verkehr gezogen und tritt jetzt bei der WM-Qualifikation wieder an. Wenn der jetzt weiter kifft, fällt es international doch auf uns alle zurück und wir alle sind die Beschissenen", empörte sich Ex-Weltmeister Thomas Becker (Dormagen). "Er ist rumgelaufen wie im Trancezustand. Offenbar hat ihm das Zeug geholfen, sich unheimlich zu konzentrieren", meinte Becker. Er warf dem DKV vor, nach dem Fall Rebagliati eine Anti- Doping-Offensive versäumt zu haben.

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